Dr. D.

Jury & Erfinderin des Deutschen Popliteraturpreises

Vier Fragen an die Jury des Deutschen Popliteraturpreises 2024

Liebe Jury, wir hätten ein paar Fragen, die uns im Zusammenhang mit Literatur beschäftigen. Ihr könnt gern schriftlich, per Audionachricht, in Videoform oder auch gar nicht antworten. Wir sind gespannt.

1. Was verbindet Dich mit (Pop-)Literatur? Warum bist Du beim Deutschen Popliteraturpreis dabei und worauf freust Du Dich am meisten?

Dr. D.: Was mich an Popliteratur interessiert ist sozusagen der Genotyp dieser Gattung. Alle Kriterien von Popliteratur deuten für mich auf wirklich gute Literatur hin (nachzulesen sind diese Kriterien im Interview von Dr. B.).

Ehrlich gestanden ist dann der Phänotyp der »klassischen« Popliteratur gar nicht so meins. Als Beispiel: könnte sich »Jetzigkeit« natürlich auch ganz anders ausdrücken als in der plakativen Verwendung von Markennamen, Musik und Mainstream aus einer bestimmten Zeit. Klar, das ist ein Marker, aber eigentlich ist das Spannende der Zeitgeist, der durch die spezifische Weltsicht eines Romans weht. Und das kann durch diese Marker verstärkt werden. Muss aber nicht. Die Typen, die in Popliteratur vorkommen, gehen mir größtenteils auf die Nerven. Aber die Schönheit der popliterarischen DNA scheint durch. Und ich wünsche mir wirklich sehr, neue Phänotypen, neue Spielarten und Umsetzungen von Popliteratur durch den Preis zu finden.

2. Was bedeutet Dir Literatur?

Dr. D.: Ich empfinde es als extrem entspannend einfach mal nicht in einen Bildschirm zu glotzen. Und dann noch: Literatur versetzt mich wie kein anderes Medium in einen Zustand, in dem auch ich meine Welt und meine Gedanken stärker wahrnehme, weil ich sie für mich und in mir stärker versprachliche. Und dann noch: Bewunderung und Freude, wenn jemand die richtigen, die schönen Worte und Formulierungen findet für Vages, Erstaunliches oder Banales.

3. Gibt es Themen, die in der Literatur nichts zu suchen haben?

Dr. D.: Nichts zu suchen, so ganz generell, natürlich nicht. Aber ich persönlich möchte nichts abgrundtief Böses lesen. Ich habe mir eine sehr strenge Seelenhygiene verordnet. Keine Brutalität, keine krasse Psychoscheiße und so etwas. Das gilt nicht nur für Literatur, sondern auch für Film und Realität. Ich weiß, das es all diese Abgründe gibt, aber ich möchte darin nicht eintauchen und ertrinken. Ein klinisches "Wissen, dass..." reicht für mich in diesen Dingen. Das Schlimmste für mich dieser Tage: True Crime Podcasts.

Ich bin einmal in ein Buch rein gestolpert, irgendwie aus Versehen, und dann nicht mehr los gekommen, so dass ich es ganz lesen musste und jetzt habe ich diese Bilder für immer im Kopf. Das Buch war "Raum" von Emma Donoghue.

4. Wie lange gibst Du einem neuen Buch eine Chance, bevor Du es weglegst, und was muss in dieser Zeit für Dich passiert sein? Hast Du ein aktuelles Beispiel?

Dr. D.: Ich lege Bücher sehr schnell zur Seite, wenn nichts mehr zu erwarten ist. Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Buch extrem schwach anfängt und dann eine 180°Wendung hinlegt? Da glaube ich nicht dran. Wenn ein Buch ab der Mitte gut sein kann, dann könnte es das doch auch gleich zu Beginn. Guten Stil zu Beginn absichtlich verhehlen - das macht doch keiner. Oder?

Das bezieht sich natürlich alles auf Stil, Sprache usw. Bei inhaltlichen Kriterien kann das anders sein. Da lasse ich mich auch gerne mal im Laufe eines Buches überzeugen und will dann plötzlich doch mehr über Modellflugzeugbau erfahren.